echo 2010

Marie Reslová für „ČT 24“
»Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache ist für uns wichtig. Nicht nur weil es gegenwärtige deutschsprachige Autoren vorstellt, was eine sehr starke dramaturgische Linie darstellt, sondern auch, weil es bestimmte neue, andere Inszenierungsarten zeigt.«

Roman Sikora, Tagblatt „Referendum“, 7.11.2010
Heute beginnt das Prager Fest des deutschen Theaters
»Bereits heute beginnt das Prager Theaterfestival deutscher Sprache. Es wird bis 7. November dauern und das Beste vorstellen, was in der letzten Zeit in den Theatern unserer westlichen Nachbarn entstanden ist. Wie bereits üblich, wird das Prager Theaterfestival eine Menge von Theaterdelikatessen anbieten. Deutschland gehört einfach, ob es uns schon gefällt, oder nicht, zu den Kultur- und daher auch Theatergroßmächten. Aus diesem Grunde ist es nicht schlecht, die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem tschechischen Theater zu vergleichen. Diese sind nämlich manchmal abgründig.«

Vojtěch Varyš, „tyden.cz“, 8.11.2010
Das deutsche Festival – ein Märchen im Drogenrausch und der Nationalsozialismus
»Gold über Gold. Augen und Ohren staunen, Traum und Wirklichkeit wechseln sich ab, der Romantismus betet den Sozialismus an. Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache hat seine fünfzehnte Ausgabe großartig begonnen – durch die Dresdner Aufführung von „Der goldene Topf“ in der „goldenen Kapelle“ von Prag.“Die Eröffnungen aller Festivals werden von offiziellen Zeremonien, Empfängen und Ansprachen voll von hohler Wortwatte begleitet. Dem ist man nicht ganz entgangen, doch die Veranstalter haben die Danksagung an die Sponsoren unglaublich elegant gelöst – durch ein thematisches Lied, enthalten in der Aufführung „Stunde Null“ von Christoph Marthaler stammt, welche vor zwölf Jahren am Festival großen Erfolg feierte.«

Jana Machalická, „Lidové noviny“ und „lidovky“, 9. 11. 2010
Im Rausch aus Dresden nach Prag
„Der goldene Topf“ des Romantikers E.T.A. Hoffmanns ist in der dramatisierten und aktualisierten Darstellung wild geworden.Der Theaterdienstag – Wildes Gören im Blumentopf, lebendiges Dichterwort und die Beichte der Prinzessin»Für jede Festivaldramaturgie ist es vielleicht am schwierigsten einzuschätzen, wie ein zu Hause in bestimmten Kontexten aufgeführtes Werk wo anders funktionieren wird. Die Dramatisierung von „Der goldene Topf“ E.T.A. Hoffmanns aus dem Dresdner Staatsschauspiel, die am Sonntag zum fünfzehnten Mal das Prager Theaterfestival deutscher Sprache eröffnete, hat zwar die Übertragung nach Prag an und für sich überlebt, doch auf dem Wege mehr verloren, als man erwartet hätte.…Die deutschen Schauspieler dienen selbstverständlich, wie wir uns mehrmals schon überzeugen konnten, ganz ergeben dem Ganzen und ihre schauspielerische Energie ist ehrenwert. Sie ziehen sich aus, scherzen mit einer lebenden Schlange, die sich um sie unangenehm windet, verantwortungsvoll und ohne die Wimper zu zucken zerschlagen sie am eigenen Körper rohe Eier, die sich schleimig zerfließen. Doch durch das ständige bunte Treiben auf der Bühne haben sie kaum eine Möglichkeit, Figuren zu bilden. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass diese Aufführung in Dresden ihren Sinn hat und das dortige Publikum anspricht. Ob sie übertragbar ist, bin ich mir nicht sicher, anderseits ist es aber gut, dass sie zum Festival eingeladen wurde. Wie man sieht, ist es nicht notwendig sich so stark über den Zustand des tschechischen Theaters zu peitschen. Der Vergleich der hiesigen Bühnen mit dem Schauspiel aus Dresden, einem Theater des ehemaligen Ostblocks, sagt doch sicher viel mehr aus, als ein Vergleich mit den deutschen Spitzen, die zu uns aus dem einstigen Westteil kamen.«


Marie Reslová, „Hospodářské noviny“ und iHNed.cz, 14. 11. 2010
Das Theaterfestival deutscher Sprache wurde mit Geschichte, Träumen und Halluzinationen eröffnet
»Das Staatsschauspiel Dresden mit der Aufführung des Regisseurs Sebastian Baumgarten ´Der goldene Topf´ eröffnete das zehntägige Prager Theaterfestival deutscher Sprache. Das Publikum im Nationaltheater verfolgte etwas ratlos die bedeutungskomplizierte, von der Geschichte des deutschen Romantikers E.T.A. Hoffmanns inspirierte zweistündige Komposition.…Die Schauspieler sind hervorragend, durch schnellen Schnitt ändern sie den Ausdruck von einer (oft bizarren) Stilisierung zum Zivil oder zum befremdenden Kommentar. Mit der komplizierten romantischen Sprache gehen sie ganz souverän um. Die Lösung einzelner Situationen beginnt in der Realität und durch einen besonderen „Dreh“ geht sie, wie aus den Schienen geraten, in den Wahnsinn um.All dies signalisiert eine Störung und man ist nicht sicher, ob es sich um eine Vision der Welt handelt, wie diese einem Verrückten erscheint, oder um eine entrückte Welt voll von Irren aus der Sicht eines Menschen, der seinen gesunden Verstand noch nicht verloren hat und der sich bemüht, den Stand der Dinge zutreffend auszudrücken. Auf jeden Fall Vieles zum Nachdenken.«

Vojtěch Varyš, „tyden.cz“, 9. 11. 2010
Deutsches Festival – Eine Verführerische Frau und ein Lebensspiel
»Wie machen es nur die deutschen Schauspieler?´ - So klingt die bewundernde Frage nach der Vorstellung. Dies waren jedoch die Schweizer, so dass die Antwort komplizierter sein kann, als es scheint. Ein weiterer Tag des deutschen Festivals.Der Kontrast konnte nicht stärker sein. Das vergoldete Ambiente des großen Gebäudes des Nationaltheaters – der Kammerklubraum in der Řeznická für paar Dutzende der zusammengedrängten Zuschauer auf den knirschenden Stühlen. Eine riesige Ausstattung mit lebenden Schlangen und Projektionen versus ein Kammerstück für drei Schauspieler. Als Erlebnis jedoch atemberaubend.«

Helena Kunčarová, „RozRazil Online“, 16. 11. 2010
Theater 2010: Und dorthin fuhr er und dort freute er sich
»Josef Hader ist einer der bekanntesten politischen Kabarettisten in den deutschsprachigen Ländern, vor allem in Österreich, wo er in der Nähe von Wien lebt. Die einzige Tücke seines Kabaretts ist hie und da ein zyklischer Rückfall zu den gut funktionierenden vorvorbereiteten Witzen. Vielleicht auch durch den Mangel an neue Themen vertieft sich Hader in die sicheren Gewässer des Recycling-Humors, meistens erklärt er dies jedoch mit einer bravurösen Pointe. Obwohl der zweiten Hälfte des Kabaretts etwas an Schwung und Timing der Gags fehlte, ist Hader ganz sicher einer der besten österreichischen Komiker.«

Vojtěch Varyš, „tyden.cz“, 15. 11. 2010
Deutsches Festival: Lachsalven, wenig Fleisch, viel Blut
»Ein Wochenende mit Josef Fritzl! Das österreichische Kabarett und auch das Monodrama der Nobel-Preis-Trägerin Elfriede Jelinek behandelten unter anderem auch gewisse Keller und deren Geheimnisse. Hinzu kam auch Kafkas „Amerika“.Das Wochenende des deutschen Festivals in Prag setzte Untersuchungen der verschiedenartigen Formen des aktuellen deutschsprachigen Theaters fort. Der Zufall wollte es, dass alle drei Aufführungen jeweils nur für einen Darsteller bestimmt waren – in keinem der Fälle ging es jedoch um Kammer- oder visuell arme Stücke.Am Freitag war in der „Nová scéna“ der österreichische Komiker Josef Hader mit seiner one-man-show „Hader spielt Hader“ zu Gast. Den großen Saal hat er ganz ausgefüllt, wobei das Publikum zum größeren Teil von deutschsprechenden Zuschauern gebildet war – Hader ist nämlich in Österreich und Umgebung dermaßen populär, dass man für manche seiner Shows die Karten gar nicht zu bekommen sind – daher fehlten unter den Zuschauern außer dem Fürsten Schwarzenberg nicht einmal Besucher aus München.«

Tomas Petzold, „Dresdner Neueste Nachrichten“, 12. 11.  2010
Wunder an der Moldau
Prager Theaterfestival deutscher Sprache im 15. Jahrgang – Dresden ist mit zwei Inszenierungen dabei…»Nach dem Eröffnungszeremoniell ohne großen Pomp herrscht vor allem Konzentration, beim Publikum wie bei dem kleinen Dresdner Ensemble. Sie hält bis zum Schluss, und den anerkennenden Beifall haben beide Seiten verdient.«

Vladimír Just, „Lidové noviny“ und „lidovky.cz“, 18. 11. 2010
“Der Verschollene” Kafkas hat sich in der Arche gefunden
Das Festival des deutschsprachigen Theaters führte zwei Stücke – und zwei Theatersprachen – auf»In diesem Jahr hat das Festival zwei im Prinzip unterschiedliche Vorstellungstypen geboten: auf die schauspielerische Leistung konzentriertes Schauspiel in Kammerform (siehe „Biografie: Ein Spiel“ aus Zürich) und postmoderne großflächige Gemälde…Während ich die bescheidene Aufführung von „Amerika“ für einen der Gipfel des Festivals halte, habe ich die ambitionierte „Lulu“ David Martons mit gemischten Gefühlen verfolgt. Ja, die musikalischen und tempo-rhythmischen Qualitäten des Ensembles, einschließlich der vollkommen synchronisierten Chorpassagen, für die sich kein Musical-Ensemble von der Broadway genieren müsste, besonders jedoch die Sänger-Leistungen der drei Lulu-Darstellerinnen, das alles war hinreißend. Dies betrifft sowohl die souverän phrasierende „Jazz-Lulu“ Yelena Kuljic, als auch die „Bergsche“, orientalisch-exotische Opernlulu von Yuku Yanahira und natürlich auch die sehr „sprechtheatralische“ Lilith Stangenberg, die das Generalthema der Schicksalsfrau als Projektion der männlichen Sehnsucht, die seinen Begleiter im Nachhinein versklavt und tödlich zerstört, vielleicht am überzeugendsten gespielt hat.«

Iva Mikulová, „RozRazil Online“, 21. 11. 2010
Theater 2010: Befremdende, sich selbst entfremdete Lulu
»In der Dresdner fragmentarischen „Lulu“ geht es weniger um die Geschichte selbst, als eher um den Hinweis auf einige Momente aus deren Leben, der Polarität der weiblichen und männlichen Welt. Durch den einfallsreichen und durchdachten Wechsel von formellen Elementen und deren Parallel- oder Kontrastbeziehung ist in der Aufführung ununterbrochen viel zu verfolgen (auch dank der Breite der Bühne und den Verwandlungen der Sprecher) und der Zuschauer wird in Spannung und Aufmerksamkeit gehalten.«

Radmila Hrdinová, „Právo“ und „Novinky.cz“, 19. 11. 2010
Das deutsche Theaterfestival stellte vor allem Schauspielerpersönlichkeiten vor
»Die Aufführung von ´Liebe und Geld´ in der Darstellung des Deutschen Theaters aus Berlin setzte den Punkt hinter die fünfzehnte Ausgabe des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache. Das Stück des britischen Dramatikers Dennis Kelly über die Macht des Geldes und die Einkaufskrankheit, welches als düster und brutal bezeichnet wird, machte die Regie Stephan Kimmigs zu einer Groteske; so hat es zumindest das Prager Publikum begriffen und offenbar im Geiste der Intentionen des Regisseurs reagiert. Die sechs vollkommen zusammengespielten Protagonisten, die sofort nach ihrem Erscheinen auf der Bühne, noch lange bevor sie in die Handlung eingegangen sind, bloß durch ihre aktive Anwesenheit Kontakt mit den Zuschauern aufgenommen haben, waren ein Beweis dafür, dass das Gewinn dieser Ausgabe des Festivals vor allem die Schauspieler und die Schauspielkunst waren.…Philipp Hochmair in Kafkas „Amerika“ und die suggestive Isabelle Menke, die den fast dreistündigen Monolog in Jelineks „Rechnitz“ meisterhaft dargestellt hat, gehören zu den Gipfelerlebnissen des Festivals.Das zweite, vielleicht nicht für jeden ganz sichtbare Gewinn dieser Ausgabe ist die Tatsache, dass die Dramaturgie des Festivals dauernd und verdienstvoll für das tschechische Publikum Namen der Regiepersönlichkeiten des deutschsprachigen Raums entdeckt.…Nicht einmal das tschechische Theater kam im Vergleich mit dem deutschsprachigen zu kurz: die Jelinek-Variation Michal Dočekals „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“ gehörte zu den Höhepunkten der diesjährigen Ausgabe des Festivals und Kateřina Winterová steht durch ihre schauspielerische Leistung ganz auf gleicher Ebene mit Isabelle Menke, Philipp Hochmaier oder Sebastian Wendelin in „Der goldene Topf“.«

Vojtěch Varyš, „tyden.cz“, 18. 11. 2010
Liebe, Geld und Schluss
»Mit dem britischen Gegenwartsstück „Liebe und Geld“ in der Berliner Darstellung wurde die diesjährige fünfzehnte Ausgabe des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache abgeschlossen. Und wir werden Viel zum Erinnern haben.Der britische Dramatiker Dennis Kelly setzte sein Stück… von 2006 in das jetzige Großbritannien und unter Leute, die – noch vor der berühmten Wirtschaftskrise – durch die ökonomischen Forderungen der Gesellschaft beengt werden.…Da das Festival abgeschlossen ist, gehört es sich, einige unwiederholbare Erlebnisse zu erwähnen. Von dem üppigen Programm waren zwei mit dem Dresdner Schauspiel verbundene Aufführungen meist beeindruckend: „Lulu“ und „Der goldene Topf“, große Freude machte auch der österreichische Kabarettist Josef Hader und die präzise „old-fashioned“ Aufführung von „Biografie: Ein Spiel“ aus Zürich. Unterschiedliche Eindrücke erweckte das neue Stück Elfriede Jelineks von ebendort. Im Rahmen dessen, was auf sich auf den tschechischen Bühnen üblicherweise abspielt, ging es um außerordentlich überdurchschnittliche zehn Tage.«

Marie Reslová, „Hospodářské noviny“ und „iHNed.cz“, 19. 11. 2010
Nachricht aus Berlin
Prager Theaterfestival hat das Beste vom deutschen Theater vorgestellt»Das Stück ´Liebe und Geld´ des britischen Dramatikers Dennis Kelly in der Darstellung des Deutschen Theaters aus Berlin hat die fünfzehnte Ausgabe des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache abgeschlossen.Die Regie Stephan Kimmigs setzte den wortkargen Bericht über die einjährige Ehe eines jungen Paares, den Selbstmord der Ehefrau und die „gewöhnlichen“ Perversionen des heutigen Lebens und ein beklemmendes Häuschen, in einen mitten in der leeren Bühne (mitten im Kosmos) steckenden Schlupfwinkel ein. Die in retrospektiver Folge geordneten Momentaufnahmen, von der Form her unterhaltsam und vom Inhalt her schrecklich, die ganz karge Dialoge des Paars oder der Personen, die in dessen Nähe gerieten, zeigen auf die „ausgerenkte“ Kommunikation hin und zeugen von präzisem schauspielerischem Können. Der „zusammenfassende“ Abschlussmonolog der vom Wein und von Liebe besiegten Braut beim Hochzeitsfest philosophiert reizend über unsere geistesarme Abhängigkeit vom Geld, über den Sinn der Liebe und die Gesetze des Weltalls. Ein unterhaltsames, verständliches und gescheites aktuelles Theater.«

„Reflex“, 25.11.2010
Party, bei der gekillt wurde
»Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache hat in dem tschechischen Theaterleben etwa solchen Stellenwert, wie die Formel 1 im Autorennen oder die Meisterliga im Fußball. Es bringt nach Prag erstklassige Theaterensembles, dessen technische Ausstattung, Theaterauffassung, Titelauswahl und auch deren Bearbeitung um eine oder zwei Stufen höher stehen, als bei uns üblich. Auch die diesjährige, fünfzehnte Ausgabe des Festivals hat exklusive Projekte aus vier deutschsprachigen Gebieten Europas – Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg – angeboten, die auf eine für uns unerreichbare Weise durch qualitativ hohe und anspruchsvolle Inszenierungsmittel die Aggressivität, Entmenschlichung, emotionale Überempfindlichkeit und geistige Leere des heutigen Europas thematisieren.…Vor allem „Lulu“ des Regisseurs David Marton, die das Drama Wedekinds mit der Bergschen Oper, den Formen vom Jazz- und Rockmusical so wie der Technik der Studioaufnahmen verband, war eher ein bizarres Konzert als ein psychologisierendes Drama. Doch genau so ist das gegenwärtige Theater und das Spiegelbild unserer Welt darin. Es sagt uns, dass es notwendig ist, in die Geschehnisse und Bilder immer von neuem aktiv einzuschreiten und sie auch immer von neuem zu interpretieren, ohne deren Bedeutung und das Ergebnis im Voraus zu kennen.«

„Divadelní noviny“, 30. November 2010
Die Tschechen verstehen die Deutschen nicht?
»Keine einzige Vorstellung des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache wurde wohl eindeutig angenommen. Dabei gibt es keine Zweifel, dass die Organisatoren mindestens in drei Fällen die absolute Spitze des heutigen deutschen Theaters gebracht haben - Werke solcher Theaterschaffenden, die nicht nur berühmte Namen tragen, sondern auch den deutschsprachigen Theaterraum mitbestimmen. Auch hier gilt, dass jedem Theater der Transport von Ort zu Ort schadet, dass jeder von uns einen anderen Geschmack und eine andere Erwartung hat, was am Theater zu sehen und zu erleben wäre, es mag auch scheinen, dass die deutsche Bühnenlandschaft im Moment nach ihrem Profil sucht, bereits Entdecktes entdeckt und sich nach neuen Wegen umsieht. Doch auf einem dermaßen breiten Territorium wie das deutschsprachige Theater wären ähnliche Generalisierungen sehr fragwürdig. Das Riesengebirge kann man von einem einzigen Punkt aus überblicken, in den Alpen blickt man nur zum nächsten Horizont. Danke dem Festival für den wesentlichen Ausblick.«

Milan Uhde, „Divadelní noviny“, 30. November 2010
Zeitmäßige Pathologien aufs Tageslicht gebracht
»Das Deutsche Theater aus Berlin brachte zum Prager Theaterfestival deutscher Sprache das Stück des britischen Dramatikers Dennis Kelly ´Liebe und Geld´. Der eventuellen, durch den Titel verursachten Erwartung einer Theaterpolemik mit der aktuellen Konsumwelt war die Wirklichkeit jedoch weit entfernt. ´Liebe und Geld´ ist eine grausame, rücksichtlos analytische Komödie zum Thema heutiger Mensch und gleichfalls eine wirksame Zuschauerfalle: sie beginnt am Ende der Geschichte, auf der sie basiert, und schwelgt vom schwarzen Humor.…Die achtzigminütige Vorstellung brachte ein außerordentliches und stark aufregendes Erlebnis.«

Vojtěch Varyš, „Týden“, 22. 11. 2010
Kolumne / Deutschland – unser Vorbild
»Jedes Jahr findet im Herbst das sogenannte deutsche Festival statt, dass offiziell etwas holprig Prager Theaterfestival deutscher Sprache heißt. In zehn Tagen stellt es das Interessanteste von der Produktion der deutschsprachigen Theater vor. Das bedeutet: Feuerwerke von Ideen, riesiges Engagement der Schauspieler, präzise Arbeit mit der Sprache, Musik und auch der visuellen Komponente – vor allem aber eine eindeutige und nichtabgegriffene persönliche Einstellung.Die fünfzehnte Ausgabe lief symbolisch zwischen zwei politischen Jubiläen, vom 7. Bis 17. November, und unter dem Motto „Schein + Sein“. Zwischen Oper, Kabarett und Dekorationsmärchen erwähnte es sexuellen Missbrauch, Finanzkrise, Kriegsmassaker, Sozialismus und Bombenanschläge an Dresden. Wie immer war es ganz voll, wie immer wurde weit und breit gelobt. Und am ehesten bleibt uns nichts anderes übrig, als auf die nächste Ausgabe zu warten.…Die Deutschen zeigen uns auch, dass man ins prunkvolle Theaterhaus gehen kann, ohne dort einzuschlafen oder sich edel zu langweilen. Das Festival des deutschen Theaters ist eine Schulung nicht nur für die Prager Theaterschaffenden, sondern auch für die Zuschauer, die von ihren Theatern nur selten etwas Neues fordern.«